Eindringlicher Appell des VdSQ an die Politik

31.10.2020

Der Bundesverband der Streichquartette VdSQ, dessen Gründungsmitglied wir sind, hat in einem eindringlichen schriftlichen Appell Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sowie die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sämtlicher Bundesländer aufgefordert die am 28.10. beschlossenen Kulturschließungen als Maßnahme zur Pandemie Bekämpfung noch einmal zu überdenken. 


Lesen Sie hier den kompletten Wortlaut:


Stellungnahme Bundesverband der Streichquartette VdSQ zu Kulturschließungen als Maßnahme zur Pandemie Bekämpfung

München, 31.10.2020

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

sehr geehrte Damen und Herren Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder,

wir bitten Sie eindringlich, Ihre am 28. Oktober getroffenen Entscheidungen hinsichtlich des Kulturbereichs zu überdenken.

Die aktuelle Entwicklung der Corona-Pandemie lässt einschneidende Maßnahmen unausweichlich und den Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung als oberstes Ziel erscheinen. Dem schließt sich selbstverständlich auch der VERBAND DER STREICHQUARTETTE VDSQ an. Es scheint uns jedoch kein zielführender, im Gegenteil ein gefährlicher Weg zu sein, erneut Konzerthäuser und Theater zu schließen und das kulturelle Leben des Landes in weiten Teilen lahmzulegen. Denn abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden  ̶  die Kultur- und Kreativwirtschaft hat im vergangenen Jahr nach dem Fahrzeugbau am stärksten zur Wertschöpfung in der Bundesrepublik beigetragen  ̶  sind auch unabsehbare Folgen für Kultur und Gesellschaft zu erwarten.

In den zurückliegenden Monaten haben Kulturveranstalter aufwändige Hygienekonzepte entwickelt, gestützt auf die Empfehlungen anerkannter Institutionen wie der Charité oder des Freiburger Instituts für Musikermedizin. Bislang ist kein einziger Fall bekannt geworden, in dem Infektionen auf den Besuch eines Konzertes oder einer anderen kulturellen Veranstaltung zurückzuführen wären. Als Herd des Infektionsgeschehens zeichnet sich vielmehr der private Bereich ab, in den sich die Menschen, ohne Hygienekonzepte und Kontrollmöglichkeiten, zunehmend zurückziehen werden, wenn ihnen soziale Interaktion im öffentlichen Raum verwehrt wird. Dass ein solcher Rückzug nicht ohne psychische und soziale Folgen bleibt, hat nicht zuletzt die Zunahme häuslicher Gewalt während des ersten Lockdowns gezeigt.

Kulturelle Veranstaltungen sind kein reines Freizeitvergnügen. Dass Theater, Opern und Konzerthäuser im Beschluss vom 28. Oktober auf eine Stufe mit Spielhallen, Freizeitparks und Prostitutionsstätten gestellt werden, halten wir für einer Kulturnation nicht würdig. Das vielfältige Kunst- und Kulturangebot, auf das Deutschland zu Recht stolz ist, stiftet vielen Menschen geistige Nahrung, Erkenntnis, Lebenssinn. Es ist zu befürchten, dass diese reiche kulturelle Landschaft nicht wiedergutzumachenden Schaden nimmt, wenn Künstlerinnen und Künstlern die Ausübung ihres Berufs erneut untersagt wird.

Wir appellieren an Sie, trotz der Notwendigkeit Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen, nicht einem wichtigen Teil unseres gesellschaftlichen Lebens gravierenden, ja wahrscheinlich unwiderruflichen Schaden zuzufügen.

Mit freundlichen Grüßen,

Prof. Bernhard Schmidt
Monika Henschel
Prof. Tim Vogler
Ernst Gülpen
Dr. Wolfgang Gärtner
VdSQ Präsidium

Verband der Streichquartette und weiterer Kammermusik-Ensembles e.V.
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